Auf der Teestraßen-Route nach Norden

 
am Chuan He entlang  
Dali

Weishan

Von hoch oben blicke ich ins Tal auf die Stadt Nanjian. Da muss ich durch. Bisher waren die größeren Städte kein Problem, da meist klar ausgeschildert war, wo es an den jeweiligen Kreuzungen hin geht. Dennoch präge ich mir ein, in welches Tal ich später abbiegen muss, um es leichter zu haben. Es kommt dann auch so, dass plötzlich an den Kreuzungen keine Hinweisschilder mehr stehen, sondern nur Straßennamen ausgeschildert sind, die mir ja nicht wirklich nützen. Nun nehme ich eben die nächstbeste Straße nah Osten und biege dann, als ich auf der Höhe des Tals bin, in das ich einbiegen muss, auf die nächste große Straße nach Norden ab. Hier ist dann auch der Fluss, dem ich von nun an folgen werde, und ich münde kurz darauf auf die große Ausfallstraße nach Norden. Nur wenige Kilometer hinter der Stadt hat der Verkehr plötzlich deutlich abgenommen und ich habe die Straße wieder (fast) für mich alleine.

Wieder hat sich das Landschaftsbild etwas verändert. Es ist hier viel trockener als noch im Tal des Chuan He und ich bin inzwischen auch auf größerer Höhe, jetzt schon über 1500 Metern. Die Terrassenfelder an den Hängen sind größtenteils noch nicht bewirtschaftet und so erweckt die Landschaft eher einen trockenen, braunen Eindruck. Einzige Farbtupfer sind die blühenden Kirsch- und Pflaumenbäume, sowie das Grün der bereits bestellten Felder im Talgrund. Ab und zu kann ich beobachten, wie die Bauern die Terrassenfelder vorbereiten: Es wird gepflügt, geeggt, gehackt oder auch die ein oder andere Stelle an den Hänge oder Wasserkanälen ausgebessert. Alles ohne Maschineneinsatz in Handarbeit.

Ich suche einen Zeltplatz. Unbedingt mit Wasser. Kilometer um Kilometer vergehen und ich finde nichts. Entweder komme ich nicht runter zum Fluss, weil das Ufer zu steil ist und es keinen Pfad gibt, oder weil ein Haus da ist, oder weil die Seitentälchen trocken sind... Endlich, nur wenige Kilometer vor der nächsten Kleinstadt, gibt es einen Weg zu Fluss, ohne Haus. Das ist meiner.
Der Fluss ist sichtbar dreckig. Am Ufer liegt überall angeschwemmter Müll, und das Wasser, obwohl klar, ist sehr algig. Trinken würde ich es bestimmt nicht. Aber die Klamotten waschen, das müsste ok sein. Und so wasche ich die dreckigen Klamotten im dreckigen Fluss und fühle mich danach wunderbar sauber. Es gibt eben Dreck, der unmittelbar erkennbar ist, und solchen, der es nicht ist… Das Zelt baue ich dann aber auf einem nicht genutzten Terrassenfeld etwas oberhalb auf, direkt am Fluss mit all dem Müll war es mir dann doch nicht so angenehm.

Am nächsten Vormittag erreiche ich Weishan. Kurz vor der Stadt entdecke ich auf einem Hügel oberhalb der Straße die erste Pagode, in dem Baustil der Bai erbaut, wie es sie auch in Dali gibt. Und am Ortseingang von Weishan gibt es dann noch eine. Außerdem gibt es in Weishan eine historische Altstadt, die ich mir ansehe. Nach nur wenigen Metern habe ich jedoch schon wieder genug. Ja, die alten Häuser sind nett, und ja, der Baustil ist auch deutlich anders als in Lijiang oder Zhongdian, aber die ewigen Gassen an Geschäften mit dem ewig gleichen Sortiment an Krimskrams und Mode finde ich irgendwie abstoßend. Meine Vorfreude auf die Altstadt von Dali hat einen deutlichen Dämpfer erhalten. Ich esse eine Nudelsuppe, gehe noch ein bisschen durch die Straßen und bewundere die mit geschnitzten Tierköpfen verzierten Dachbalken der Häuser.


Schließlich fahre ich dann zu der alten Pagode am Ortseingang. Sie ist nicht gepflegt, es wachsen Bäume aus den oberen Ebenen, und am Sockel ist alles voll mit Glasscherben. Ich frage mich, warum diese Pagode so wenig beachtet und so wenig gepflegt ist, denn eindrucksvoll anzusehen ist sie trotzdem. Vor allem kann man direkt mit dem Rad direkt hinfahren...

Ab Weishan ist die Straße jetzt vierspurig ausgebaut. Langsamer Verkehr, also Radfahrer, Eselskarren und ähnliches, sind aber trotzdem erlaubt und nutzen den sehr breiten Seitenstreifen. Es ist eigentlich ganz angenehm, der Verkehr ist nur wenig dichter als auf der engeren Straße vorher und nun muss ich immerhin nicht mehr auf den Gegenverkehr und eventuell knappe Überholer achten.
Dörfer, Felder, Städte bilden hier ein ganz enges Mosaik. Die blühenden Rapsfelder leuchten in der Sonne, gleich dahinter ein Friedhof, ein Dorf oder gar die nächste Stadt. Nach 20 Kilometern, nachdem die nächste, nördliche Kleinstadt auch hinter mir liegt, nimmt der Verkehr wieder deutlich ab, und es geht wieder bergauf. Für 17 Kilometer windet sich die Straße nun aufwärts, bis auf eine Höhe von etwa 2600 Metern.

An dem großen Stausee im Weishan zelte ich ein letztes Mal, bevor ich den Pass nach Dali überwinde. Ich finde einen kleinen Weg, der zum See hinab führt. Ich bin dort völlig ungestört und entdecke sogar einen kleinen Bach, den ich zum Waschen nutzen kann. Lediglich eine in Tracht gekleidete Frau kommt mit ihren Kühen vorbei. Wir betrachten uns gegenseitig, sie ist erstaunt über die Ausländerin mit dem Rad und Zelt, ich darüber, dass einige Menschen auch im Alltag noch traditionell gekleidet sind, und nicht nur auf "singing und dancing"-Veranstaltungen in irgendwelchen Altstädten oder speziellen Touristendörfern.

am Chuan He entlang  
Dali