Das Glück als Staatsziel, das Glück auf dem Fahrradsattel

 
Dagana und Tsiwang  
Trongsa

Erbarmungslos steil und feucht-heiß

 

Schon wenige Kilometer hinter Gelephu auf der Straße nach Zhemgang passiere ich die nächste Kontrolle. Die Beamten hier fragen nicht, wo und wie ich herkomme, sondern lächeln freundlich und wünschen mir ein „good luck!“ Sofort hinter der Schranke weiß ich auch, wieso sie so lächeln. Mit nicht weniger als 10 Prozent Steigung muss ich sofort in die Eisen treten. Im ersten Gang schleiche ich Serpentine um Serpentine den Hang hoch. Gelephu liegt auf 214 Meter über dem Meeresspiegel. Ich muss jetzt hoch auf 2000 Meter – also kann ich wohl den Rest des Tages damit rechnen, in den unteren Gängen fahren zu müssen. Die tropische Vegetation ist so opulent, dass ich das Gefühl habe, die Farne und Moose wollen die schmale Asphaltstraße erobern. Zwischendrin gibt es immer mal wieder einen kleinen Bergbach, in dem ich meine Trinkflasche auffüllen und das Shirt einweichen kann. Bei den aktuellen Temperaturen macht es sogar Spaß, das nasse und kalte Shirt überzuziehen. Auch hier sehe ich wieder die Gold-Languren und viele bunte Vogelarten. Sogar ein Muntjak läuft kurz vor mir über die Straße. Eine überfahrene Schlange mit sicherlich über einem Meter Länge erinnert mich daran, dass es auch Gefahren in dieser Region gibt.

Am späten Nachmittag erreiche ich den Tama La auf 2031 Meter Höhe. Ich baue mein Innenzelt auf. Das ist bei den aktuellen Temperaturen hier auch sehr viel angenehmer und weit besser durchlüftet. Die Geräuschkulisse des Waldes schwillt erst in den richtig dunklen Abendstunden an und lässt mich öfters aus dem Schlaf schrecken. Da sind nicht nur das Froschkonzert oder nachtaktive Vögel dabei. Von der tiefen Tonlage müssen Affen, Bären und Tiger gleichzeitig brüllen und schnauben. Ich tröste mich damit, dass der menschgemachte Platz und die vielen Gerüche hier an diesem Pass, inklusive meiner Strümpfe und meines Shirts die großen Tiere weit genug abhalten. Die Morgensonne kämpft sich durch die höchsten Baumkronen und die Nebenschwaden, die vom Tal hochsteigen. Ich leere meinen Müsli-Napf und packe alles wieder aufs Fahrrad. Der Wald ist erfüllt von einem herrlichen Vogelgezwitscher. Keine tiefen Töne mehr, kein Gequake mehr. Die frische Luft tut gut nach der feucht-schwülen Nacht, in der ich nur leicht bekleidet auf meiner Matte lag. In dieser frischen Morgenluft die Abfahrt hinunter zum Fluss Mangde Chhu genießen zu können ist die volle Entschädigung für die schweißtreibende Arbeit des Vortages. Vom Mangde Fluss geht es sofort wieder hoch zur Stadt Zhemgang, also ist mir klar, dass ich ab dem Mittag wieder kräftig schwitzen werde. Nach 21 steilen und rasanten Kilometern stehe ich in der Ortschaft Tingtinbi auf der Brücke und sehe auf dem GPS-Empfänger 560 Meter. Zhemgang liegt auf knapp 2000 Metern. Na super ... was bleibt mir anderes übrig als weiterhin gelassen zu sein. Der Beamte am Checkpoint an der Brücke meinte etwas von 35 Kilometern bis Zhemgang. Ich rechne kurz nach und kalkuliere meine Ankunft in der Stadt zum Sonnenuntergang.

Ein Motorradfahrer kommt von hinten und fährt langsam neben mir. Ob ich mich denn nicht bei ihm hinten dranhängen möchte? Er würde auch sehr vorsichtig fahren, damit kein Unglück geschähe. Ich bin inzwischen die Hälfte der Strecke alleine hoch gekommen und lehne dankend ab. Er hebt den Daumen nach oben und braust davon. Die Kühle des Abends beginnt und ich habe immer noch mindestens zehn Kilometer vor mir. Es sind noch vier Kilometer bis ich den Schein der ersten Straßenlampe auf der Fahrbahnoberfläche erkennen kann. Vor der kleinen Herberge mit dem sinnigen Namen Valley View steht das Motorrad, welches mich vor 16 Kilometern überholte. Der Fahrer freut sich mit mir, dass ich es bis hierher geschafft habe und will mich gleich auf ein Bier einladen.

Dagana und Tsiwang  
Trongsa