Auf den Sandpisten zwischen Lagunen und Vulkanen

 
Sandetappe  
Volcan Uturuncu

Pistenführung mangelhaft

An einem der nächsten Tage muss ich von der Lagune auf etwa 4278 Metern ins Nachbartal nach Quetena auf etwa 4150 Metern Höhe. Es ist klar, dass dazwischen eine Kuppe oder ein Pass von etwa 4600 bis 4700 Metern Höhe liegen muss. Ich stelle mich also auf einen längeren Anstieg ein. Am anderen Ufer der Lagune kann ich die Piste auch schon sehen, wie sie bedrohlich steil und gerade den Hang hoch führt und die Senke der Lagune verlässt.

Ein paar Stunden später fahre ich dann im ersten Gang an dieser Steigung langsam bergauf. Die Piste führt wirklich wie mit dem Lineal gezogen gerade aus bergauf, nur wenig Anpassung an die Steigung, keine auch noch so weiten Serpentinen. Ich bin hin und her gerissen, ob ich mühsam fahren soll, oder mühsam schieben soll. Irgendwie bin ich leistungsmäßig halt immer noch nicht voll an die Höhen über 4400 Meter angepasst und tu' mir an langen Steigungen immer noch schwer... Ich wechsle also ab, ein paar 100 Meter schieben, dann wieder ein paar 100 Meter fahren.
Ein Geländewagen überholt mich. Noch lange kann ich den immer kleiner werdenden Punkt vor mir sehen, ohne dass er verschwindet. Es geht also noch für eine Weile so gerade weiter bergauf. Ich schaue immer wieder auf den Höhenmesser, 100 Höhenmeter habe ich schon, irgendwann 200… Auf welcher Höhe wird die Kuppe sein? Die klare Luft lässt Entfernungen schwer schätzen, und die Landkarte gibt auch keine weiteren Details preis. Auch meine Hoffnung, an dieser Steigung doch eventuell etwas Rückenwind ab zu bekommen – immerhin führt die Piste nach Osten – erfüllt sich nicht. Ausgerechnet heute ist es fast bis 16 Uhr total windstill und die Hitze drückt dadurch umso mehr.
Als am späteren Nachmittag die Piste in ein kleines Trockental führt, sehe ich wieder eine kleine Windschutzmauer, an der ich dann mein Zeltlager einrichte. Morgen früh, mit der Sonne im Gesicht, wird es sicher besser gehen.

Als ich am nächsten Morgen kraftvoll in die Pedale tretend das Trockentälchen verlasse, sehe ich, dass die Pistenführung nichts Gutes verheißt. Es geht nicht, wie ich gedacht hatte, gerade auf die Kuppe zu und auf der anderen Seite wieder bergab, sondern die Piste führt schräg zum Hang unter Mitnahme sämtlicher kleinen und größeren Rinnen und Tälchen, die von der Kuppe ausgehen.
Man fährt also jedes Mal steil in so eine Rinne ein, um diese sofort ebenso steil wieder zu verlassen. Eine kleine Schulter, dann geht es in die nächste Rinne hinein. Jedes Mal ist die Schulter dabei etwa drei Meter höher als die der vorigen Rinne, und irgendwann ist man dann halt auch oben auf der Kuppe. Allerdings unter Mitnahme der doppelten Höhenmeter… Wer hat sich diese Streckenführung ausgedacht? Das kann doch auch für Geländewagenfahrer nicht angenehm sein, und Platz genug für eine Alternative wäre ja.

Die Steigungen in die Rinnen führen jeweils gerade den Hang hoch und runter. Weil die Fahrzeuge hier beschleunigen oder bremsen, besteht die Piste in diesen Bereichen aus übelstem Wellblech. Im Tiefpunkt der Rinne ist die Piste ein zerfahrenes Sandloch und lediglich die kurzen Bereiche über die Schultern zwischen zwei Rinnen sind fest und schön fahrbar. Das Wellblech an den Steigungen und der Sand in den Rinnen verhindert jede Schwungmitnahme komplett, und so kommt es immer wieder vor, dass ich dann zwar mit dem Fatbike noch gut durch den Sand in der Rinne komme, dann aber im steilen Anstieg aus der Rinne außer Atem komme und absteige. Ich überlege, ob man nicht querfeldein auf einer topographisch angepassteren Route fahren könnte, aber die dichte, dornige Vegetation lässt dies nicht wirklich zu.

Irgendwann ist dann die Kuppe mit 4670 Metern Höhe doch erreicht und auf der anderen Seite geht es ähnlich wellig, aber mit nicht ganz so vielen Quertälchen abwärts nach Qetena. Es eröffnet sich auch ein grandioses Aussichtspanorama: Ich sehe den Nevado Soniquera und erstmals auch mein Ziel, den Volcan Uturuncu.

Es folgt schließlich eine recht lange Abfahrt in ein weites Tal. Hier erwarte ich das Dorf zu sehen, aber nichts. Ich bin schon etwas verzweifelt, schaue auf die Landkarte, kann aber keinen Navigationsfehler erkennen. Dann bemerke ich: Ich muss erst noch über einen weiteren kleinen Bergrücken, der als Ausläufer eines 5000er Vulkans noch die freie Fahrt in das Dorf verhindert…

Als ich schließlich in Quetena Chico mein Fahrrad im Innenhof des Hostals parke, zeigt das Thermometer 53°C an, und der Tacho 730 Höhenmeter auf 47 Kilometern.

 

Nachtrag: Man ist in Bolivien sehr wohl in der Lage, topographisch angepasste Pisten zu bauen. So gibt es beispielsweise eine Minenpiste, die von einer Mine in der Nähe des Fumarolenfeldes Sol de Mana in weitem Bogen höhenparallel über die Passkuppe auf meinem Weg nach Quetena führt, und von dort weitegehend arm an Höhenmetern weiter an die große Straße nach Uyuni. Diese Piste kreuzte ich erstmals auf dem Weg zum Fumarolenfeld und wunderte mich noch, wo die wohl hinführen mag. Jetzt, auf dem Weg nach Quetena kreuze ich die Piste ein zweites Mal und kann nun – auch anhand der Staubfahnen der fahrenden Minen-LKWs – erkennen dass sie in einem sehr weiten Bogen hangparallel in die Richtung führt, aus der ich auch kam. Die normale Piste, auf der ich unterwegs bin, hingegen führt von 4800 Metern erstmal wieder runter zur Lagune auf 4260 m, dann wieder hoch auf 4670 m, wo ich mich gerade so quälen muss. Ob die Minenpiste mit all dem Staub der LKWs schöner zu fahren gewesen wäre ist natürlich ein anderes Thema. In der Landkarte ist die Minenpiste jedenfalls nicht eingezeichnet.

Sandetappe  
Volcan Uturuncu