Das Glück als Staatsziel, das Glück auf dem Fahrradsattel
Zhemgang | Jakar |
Über die Black Mountains |
Ich verabschiede mich, rolle an den wenigen Häusern in Richtung Norden und beginne noch vor dem Ende des Ortes die rasante Schussfahrt in vielen engen Serpentinen hinunter zur Straße nach Trongsa. Von Zhemgang nach Trongsa sind es laut Hinweisschild 112 Kilometer. Klar ist, dass ich das nicht in einem Tag schaffen kann. So beeile ich mich auch gar nicht sonderlich, mache öfters Pausen und begebe mich mit der Kamera auf Motivsuche.
Die kleinen und größeren Abfahrten werden schnell genossen und die Auffahrten mache ich gemütlich im ersten Gang. Heute sehe ich wieder öfters die Makaken-Affen auf den Kiefern entlang der Straße. Kleinere Siedlungen, oft nur aus vier Häusern bestehend, liegen an der Strecke. Auch hier versorge ich mich wieder mit frischem Obst und Keksen. Die Route führt kontinuierlich an der östlichen Hangseite des Mangde Chhu entlang. Bis zum späten Nachmittag schaffe ich sogar 75 Kilometer.
Schließlich ist es schon sehr dämmrig, als ich in einer Haarnadelkurve auf dem kleinen Grünstreifen das Zelt aufbaue. Der einzige flache Platz weit und breit. Leider mit ständigem Scheinwerferlicht der vorbeifahrenden Autos, die hoffentlich in der Nacht weniger werden. Ich koche mein Nudelgericht und verkrieche mich im Schlafsack.
Die Fahrt nach Trongsa bringt noch eine Einladung auf einen Bogenschießplatz. Zwei Schützen mit ihren Bögen im Futteral laufen auf der Straße vor mir. Ich frage, ob ich sie beim sonntäglichen Wettbewerb begleiten und fotografieren darf. Sie willigen ein und während ich neben ihnen rolle, erklären sie mir die Regeln und wer sich heute treffen wird. Allerdings hatte es in der Nacht einige Regentropfen gegeben und die Landschaft ist sehr milchig vom morgendlichen Dunst. Als wir an der Schießbahn ankommen – einem abgeernteten Reisfeld – wird von den schon früher Anwesenden verkündet, dass der Wettbewerb heute ausfällt, weil die Sicht zu schlecht ist. Immerhin wird auf eine Distanz von 145 Metern geschossen. So radle ich weiter durch die Dörfer und Felder in Richtung Norden.
Der mächtige Dzong von Trongsa ist schon zum Greifen nahe aber doch noch fast eine Stunde entfernt. Gegen Mittag erreiche ich das Hotel am Ortseingang. Pünktlich dazu reißt der Dunst auf und es wird ein sonniger Tag. Ideal, um die Kleinstadt und die bekannte Festungsanlage zu erwandern und Fotos zu machen. Es ist der wohl beeindruckenste Dzong in Bhutan. Auf einem kleinen Hügel weit oberhalb des mächtigen Mangde Chhu konnte dieser Dzong nur sehr schwer erobert werden. Zusätzlich konnten von hier alle Bewegungen auf den Wegen und Pfaden, seien es Truppen oder Handelskarawanen, beobachtet werden. Ich schlendere die Hauptstraße entlang und wundere mich, dass diese Distriktzentrale so klein ist. Es gibt einige Geschäfte, Restaurants und lokale Hotels, einen Internet-Laden, eine Bank, die Post und eine große Schule. Alle Gebäude sehen aus wie an den steilen Hang geklebt. Die breite Hauptstraße gabelt sich mitten im Ort – ein Arm führt weiter Richtung Osten, der andere nach Thimphu. Eine schmale Asphaltstraße führt hinunter zum Dzong. Ich gehe die Treppen hoch zum großen Eingangsportal des Dzong und betrete den ersten Innenhof. Die bunten Holzschnitzereien und Malereien sind beeindruckend. Die miteinander verschachtelten Gebäude und die Ausmaße des gesamten Gebäudekomplexes bekomme ich trotz Weitwinkelobjektiv gar nicht in die Kamera. Einige wenige Tempel kann ich zwar anschauen, darf dort aber leider nicht fotografieren. Mindestens eine Stunde laufe ich Treppen hinauf und hinunter, erklimme Leitern, schaue in enge Gassen und Gänge und spitze vorsichtig in fast jede offene Tür hinein. Inzwischen ist es Mittag und recht warm geworden und ich strebe wieder in Richtung Ortschaft und kühler Getränke.
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Resümee
Bhutan ist ein Land mit sehr viel Wildnis, und doch war es eine Radtour durch eine äußerst kultivierte Landschaft, Lebensweise und Landesgeschichte.
Die tiefen Spuren, die der Buddhismus in diesem Land hinterlassen hat und die sich in alle Bereiche des Alltags und des spirituellen Lebens der Menschen festgesetzt haben, machen eine der ganz großen Faszinationen des Landes aus.
Die große Verehrung, die den beiden Königen zuteil wird und besonders die hoch gelobte weitsichtige Politik des vierten Königs halten das kleine Land nicht nur zusammen, sondern haben einen besondern Nationalstolz entstehen lassen.
Bhutan ist sicherlich nicht das Paradies oder das Shangri La, wo alle Menschen in glücklicher Harmonie miteinander und mit der belebten Natur im Einklang leben. Aber bei all den Ländern, die ich bisher bereist und intensiv betrachtet habe, kommt Bhutan diesem Ideal doch schon auf vielen Ebenen sehr nahe.